Dienstag, 4. Juni 2024

Nachhaltigkeit von Smartphones: Rohstoffe, Umweltschäden, Arbeitsbedingungen

Vorweg: Das nachhaltigste Benutzer*Innenverhalten ist das Nutzen von Gebraucht-Geräten, ein Reparieren sooft wie möglich, das Nutzen von "refurbished"-Geräten, eine Neuanschaffung so selten wie nötig sowie das Recycling von unbenutzbaren Altgeräten und das Bevorzugen langlebiger Smartphones. Hardware-Upgrades und Reparaturen werden durch Modularität ermöglicht, PostMarketOS kann den Produktlebenszyklus verlängern.

Um die Nachhaltigkeit von Smartphones bewerten zu können, spielt zunächst die umweltfreundliche Rohstoffgewinnung und menschenwürdige Produktionsweise seiner Bauteile die Hauptrolle.

Kunststoffe in Smartphones, variierend je nach Modell

  • Polycarbonat (PC)
  • Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS)
  • Polypropylen (PP)
  • Polyethylen (PE)
  • Thermoplastisches Polyurethan (TPU)
  • Polyamid (PA)
  • Liquid Crystal Polymer (LCP)
  • Polyphenylensulfid (PPS)
  • Polytetrafluorethylen (PTFE)
  • Kombination aus verschiedenen Kunststoffen
  • Biokunststoffe  
  • Recycelte Kunststoffe
 
Quelle: https://www.deutsche-rohstoffagentur.de/DE/Gemeinsames/Produkte/Downloads/Commodity_Top_News/Rohstoffwirtschaft/65_smartphones.pdf

Chemische Elemente, die je nach Bauart in Smartphones enthalten sind:

  • Wasserstoff
  • Lithium
  • Beryllium
  • Kohlenstoff
  • Stickstoff
  • Sauerstoff
  • Fluor
  • Natrium
  • Magnesium
  • Aluminium
  • Silizium
  • Phosphor
  • Schwefel
  • Chlor
  • Kalium
  • Calcium
  • Scandium
  • Titan
  • Vanadium
  • Chrom
  • Mangan
  • Eisen
  • Kobalt
  • Nickel
  • Kupfer
  • Zink
  • Gallium
  • Germanium
  • Arsen
  • Brom
  • Rubidium
  • Strontium
  • Yttrium
  • Zirkonium
  • Niob
  • Molybdän
  • Ruthenium
  • Palladium
  • Silber
  • Cadmium
  • Indium
  • Zinn
  • Antimon
  • Tellur
  • Barium
  • Hafnium
  • Tantal
  • Wolfram
  • Gold
  • Platin
  • Quecksilber
  • Blei
  • Bismut
  • Neodym
     
Quelle: Peter Hermes Furian / fotolia #82673007 aus https://www.bilress.de/media/2023/10/LehrRess_UE_GA-RIKT-H_Oekologische_Rucksack_Handy_Folien_Final_2018-02-06.pdf

Seltene Erden in Smartphones:

  • Dysprosium
  • Neodym
  • Praseodymium
  • Europium
  • Gadolinium
  • Terbium
  • Erbium
  • Thulium
  • Holmium

Mineralien in Smartphones

Im Web dokumentierte Berichte über Arbeitsunfälle, Umweltschäden, Gefahren durch Abbau und Verarbeitung lassen sich hauptsächlich zu folgenden Rohstoffen finden:

  • Quecksilber
  • Cadmium
  • Blei
  • Graphit
  • Lithium
  • Kobalt
  • Gold
  • Wolfram
  • Zinn
  • Beryllium
  • Chrom 
  • seltene Erden

In Smartphones enthaltene Konflikt-Rohstoffe

siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Konfliktrohstoff 

Hier wäre nun eine schwierigere Recherche fällig, welcher Hersteller welche Rohstoffe exakt woher bezieht, wie ernst die seit 1.1.2023 gesetzlich verordnete Einhaltung der Lieferkettensorgfaltspflicht entlang der Fertigungslinien, Produktionsschritte und Handelswege genommen wird, wo Umweltvorschriften und Menschenrechte mißachtet werden, welcher Telekommunikationsgerätehersteller für welches Umweltdesaster verantwortlich ist, wo Ausbeutung und moderne Sklaverei praktiziert werden. Solche Recherchen haben einzelne Organisationen und Blogger*Innen wie z.B. rikedenkt, ebblogsnachhaltig-telefonieren, curiosityguide, zeit--geist oder utopia schon teilweise geleistet, die genauere Dokumentation von Lieferketten wird jedoch durch mangelnde Firmentransparenz erschwert.

Wären Nachhaltigkeit und Ethikrichtlinien Rankingfaktoren, würde vielleicht das Fairphone die Verkaufszahlen dominieren. Das Eco-Rating-System wird bis 5/2024 seltsamerweise von TCL an erster Stelle, dann Fairphone, Telekom und Sony angeführt. Ein möglicher Fehler im Bewertungssystem durch unproportionalen Einfluß des Faktors "Ressourcenschonung" beschäftigt die Community in den Userkommentaren zum teilweise kritischen Artikel von Gamestar. Softwareupdates und Abwärtskompatibilität werden laut Refurbed-CEO via Brutkasten im Punktesystem vernachlässigt. Außerdem beinhaltet Ecorating leider nicht alle relevanten Hersteller. U.a. Samsung, Google und Apple nehmen (6/2024) nicht teil.
 
Wie aus einem neueren Chip-Artikel hervorgeht, begründet Samsung dies mit unterschiedlichen Bewertungskriterien für verschiedene Zeiträume, Apple nennt EPEAT und Energy Star als ausreichend, Google nennt keinen Grund.

Insgesamt erzeugt eine Neuproduktion logischerweise immer eine schlechtere Umweltbilanz als die Verwendung eines gebrauchten Smartphones, auch wenn die Industrie einem suggerieren will, stets die neusten Betriebssysteme, Updates und Hardware zu nutzen, was bei älteren Modellen ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr funktioniert. Beschleunigte Innovationszyklen nötigen Konsument*Innen zu übertrieben häufigen Neukäufen, dieser Sachzwang wird durch psychische Obszoleszenz begünstigt. 
 
Betriebssysteme wie PostMarketOS oder andere spezielle Linux Distributionen wie z.B. LineageOS, /e/OS, Replicant, CalyxOS mit zugehörigen Custom-ROMS's sorgen dafür, daß Mobilgeräte länger nutzbar bleiben als vom Hersteller vorgesehen, wenn die Installation die User*Innen technisch nicht überfordert. 
 
Das Recycling kommt der unproportional rasant wachsenden Menge an Altgeräten nicht hinterher, wie der E-Waste-Monitor der UN belegt. "Schubladen-Handys" würden theoretisch das Material für 10 Jahre Neuproduktion enthalten.
 
Die aktuelle Eco-Rating-Methodik ist immerhin gut dokumentiert
"Die in der Methodik berücksichtigten Informationen beziehen sich auf den gesamten Lebenszyklus des Mobilfunkgeräts; von der Gewinnung der Rohstoffe, über Produktion und Verpackung, den Transport, den Gebrauch bis zur Entsorgung und dem Recycling. Außerdem berücksichtigt sie Aspekte wie Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Recycelfähigkeit. Entwickelt und optimiert wurde die Methodik aufbauend auf bewährten Methoden früherer Umweltkennzeichnungssysteme, relevanter Standards und Richtlinien. So wurden EU-Richtlinien (z. B. Product Environmental Footprint Category Rules Guidance), ITU-T-, ETSI- und ISO-Normen als Basis verwendet."
 
Es gibt anscheinend noch kein global durchgängig anerkanntes Labeling.
Die Metrik der Normen von Klimabilanzen mit Kenngrößen für Umweltfolgen als offizieller Nachweis nachhaltiger Umweltstandards im Supply Chain Management und -Monitoring existiert zwar, wird jedoch nicht konsequent genug umgesetzt. Bestehende Umweltmanagementsysteme wie das Eco-Management and Audit Scheme EMAS und die internationalen Normen  ISO_14001 , 14002-14009, 14031, 14040, 14053, ISO_26000 , ISO 50001 oder ISO_45001 sind momentan eher Leitlinien und Umweltprüfungen auf freiwilliger Basis als bindende Vorschriften, auch wenn CSRD eine Berichtspflicht beinhaltet. Die Zertifizierung von Arbeitsbedingungen und naturzerstörerischen Emissionen nach Kriterien der SDG's in einem weltweit gültigen Ratingsystem für eine allgemeingültige Nachhaltigkeits-Klassifizierung ist vorhanden, wirkt sich gemessen am Fortschreiten von Klimawandel, Artensterben, Waldsterben oder Schadstoffemissionen jedoch viel zu langsam aus. Die unterschiedlichen Siegel und Indices werden nicht bei jedem Smartphone angewandt und verschieden hoch eingestuft. Das EcoRating-Prinzip ist sinnvoll konzipiert, sollte dann aber auch von allen Herstellern akzeptiert werden. TCO und andere Labels und Siegel wie z.B. der blaue Engel, das Nordic Ecolabel oder EPEAT decken nur einen Teil der zu erfassenden Märkte ab. Der in der EU ab 2027 verpflichtende digitale Produktpaß DPP verdichtet relevante ESG-Parameter und schafft Transparenz. 
 
 
Laut ESG-Voices im Jahr 2023 relevanteste ESG-Bewertungsagenturen:
  • Dun & Bradstreet
  • Sustainalytics
  • MSCI
  • Refinitiv 
  • RepRisk
  • Bloomberg
  • FTSE Russell
  • ISS (Institutional Shareholder Services)
  • S&P
  • CDP
  • Moody’s       
 
Auf die Kaufentscheidung hatten bisher technische Leistung und Preis einen viel größeren Einfluss als Nachhaltigkeits-Indikatoren
 
https://unric.org/de/17ziele/

 
All diese Standards und Normen dürfen nicht durch Greenwashing korrumpierbar sein. ISO/IEC 17029 setzt einen Standard für Validierungen und Verifizierungen von Unternehmensaussagen, so daß diese unabhängig und neutral geprüft werden.
 
Hier ein Vergleich von, insoweit verfügbar, Umweltbilanzen, CSR, Nachweisen der Lieferkettensorgfaltspflicht, Transparenzberichten und Nachhaltigkeitsindizes der verschiedenen Hersteller in ihren eigenen Worten und von außerhalb.
 
 

Pinephone

 

Nothing Phone

 

Carbonmobile

 
 

Light Phone

 
 

Volla Phone

 
 
 

Crosscall

 
 

Motorola/Lenovo

https://guide.ethical.org.au/company/?company=5914
https://www.sustainalytics.com/esg-rating/apple-inc/1007903183 


Sony/Xperia


Huawei

https://www.business-humanrights.org/en/companies/huawei-technologies/

ZTE 

 
 

T Phone/REVVL/Wingtech


Purism

Transsion

 

Reeder

 

Mara Phones (Produktion eingestellt)

https://wirtschaftinafrika.de/mara-phone-afrika/



Weitere ökonomische Instrumente und Rahmenvereinbarungen im Nachhaltigkeitsmanagement:

 

Die Verordnung (EU) 2023/1670 der EU Kommission vom 16. Juni 2023 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Smartphones bezieht sich im wesentlichen auf Widerstandsfähigkeit gegen versehentliches Fallenlassen oder Kratzer, Schutz vor Staub und Wasser, Haltbarkeit von Batterien, Demontage und Reparatur, Betriebssystem-Upgrades und diskriminierungsfreien Zugang.
Jedoch müssen ab 20.6.2025 zumindest enthaltene kritische Rohstoffe offengelegt werden, z.B. Kobalt in der Batterie, Tantal in den Kondensatoren, Neodym in Lautsprechern oder Vibrationsmotoren, Gold in allen Komponenten.

 


Weiterführende Quellen:

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


 

 
 
 


 
 
 
 

 
 



 
 





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